Frieden & Geld – Die Friedenskonsolidierung der Vereinten Nationen leidet unter ihrem Finanzierungssystem

Foto: UN Photo/Albert Gonzalez Farran

Drüben, auf dem Blog der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt) gab es kürzlich einen Gastbeitrag des New Yorker FES-Büros über die Diskussion der UN-Peacebuilding Architektur im UN-Sicherheitsrat. Ergebnis: Es gibt immer noch erhebliche Probleme in der Unternehmung  „Friedenskonsolidierung durch die VN“. Ein zentrales Sorgenkind bleibt die mangelnde Koordination und Kohärenz der vielen internationalen und nationalen Akteure, die am Friedensprozess beteiligt sind oder deren Programme sich vor Ort auf den Friedensaufbau auswirken. Dass mangelnde Abstimmung internationaler und nationaler Organisationen untereinander durchaus ein Problem für den Friedensaufbau ist, illustriert Roland Paris am Beispiel UNO/Internationaler Währungsfond:

In El Salvador, Mozambique and Cambodia, for example, the UN urged the governments of these countries to increase spending on peacebuilding-related programs, such as the re-integration of former combatants into civilian life, while the International Monetary Fund (IMF) pushed in the opposite direction and demanded fiscal restraint.

Das ist nur ein Beispiel unter vielen. Aber woran liegt es, dass die Alphabet Soup der UN, Weltbank und bilateraler Entwicklungsorganisationen (wie z.B. GIZ, USAID, SIPA) es oft nicht schafft, in ihrer Programmatik an einem Strang zu ziehen, Projektdopplungen und –überschneidungen zu vermeiden und Synergieeffekte zwischen ihren Maßnahmen herzustellen (bzw. zumindest zu verhindern, dass diese Programme gegeneinander laufen)?

Volker Lehmann vom New Yorker FES-Büro schreibt dazu:

Zahlreiche Mitgliedsstaaten wiesen [in der SR-Debatte, F.H.] auf die bekannten Probleme der UN-Peacebuilding Architektur hin, die vornehmlich daraus resultierten, dass es sich hierbei um in New York ansässige Institutionen handelt, die einen politischen Prozess vor Ort unterstützen sollen. Nationale Aneignung des Friedensprozesses und Koordinierung der internationalen Akteure, vor allem aber mit dem UN-System und seinem Resident Coordinator bleiben so oftmals auf der Strecke.

Aber ist es nur die Entfernung von New York zum Friedensprozess vor Ort, die die Koordination behindert? Nein. Um Bill Clinton zu paraphrasieren: It’s the money, stupid! Und zwar nicht die Höhe der Finanzierung (die spielt auch eine Rolle), sondern es ist die Finanzierungsstruktur der internationalen und bilateralen Organisationen im Bereich Friedensaufbau, die ein Anreizsystem schafft, die Koordination und Kooperation erschwert.

Begrenzte Mittel + wachsende Zahl von Organisationen, die auf diese Geld angewiesen sind = Konkurrenzsituation

Die UN-Mitgliedstaaten, die Hauptgeldgeber für Maßnahmen zum Friedensaufbau, können nur eine begrenzte Menge an Geld zur Verfügung stellen. Diesen begrenzten Mitteln steht eine wachsende Anzahl an internationale Organisation und bilateralen EZ- und Nichtregierungsorganisationen gegenüber, die im Bereich Peacebuilding tätig sind bzw. es zunehmend werden. Michael Barnett et al. bspw.  zählen 24 Organisationen, die Peacebuilding als Teil ihrer Kernaktivitäten betrachten – und das sind nur die Großen. Aus der einfachen Konstellation begrenzte Mittel + steigende Anzahl von Peacebuilding-Akteuren entsteht eine Konkurrenzsituation unter Peacebuilding-Organisationen um knappe Ressourcen, die die Koordination erschwert.

Diese Konkurrenzsituation wird durch die Notwendigkeit von Fundraising für das Überleben vieler, v.a. kleinerer internationaler und nationaler Peacebuilding-Organisationen noch verschärft. Die meisten dieser Organisationen haben ein Kernbudget von dem sie gerade einmal die Kernbelegschaft bezahlen. Das Geld für die restlichen Programme kommt durch externe Projektgelder herein.

Es besteht also ein Anreiz für die Peacebuilding-Organisationen, ihren jeweiligen Beitrag zum Friedensaufbau gegenüber den Geldgebern hervorheben. Diesen Beitrag können sie—aus ihrer Sicht—am ehesten in eigenständigen Projekten erbringen, anstatt in einem Kooperationsprojekt. Denn in diesen bestünde die Gefahr, dass die eigenen Leistungen untergehen, bzw. vom Geber ganz in Frage gestellt werden könnten.

Kompetenzerweiterung führt zur immer größeren Abstimmungsproblemen

Gleichzeitig führt dieses System dazu, dass die Organisationen ihre Kompetenzen ausweiten, um sich relevant zu halten, insbesondere bei Peacebuilding-Themen, die gerade „angesagt“ sind.

Barnett et al. beschreiben die Situation, die sich daraus ergibt (S. 48):

“organizations have extended their existing mandates and competencies into the postconflict area, reflecting bureaucratic inertia and building on existing areas of comparative advantage. Both factors lead to a supply rather than demand-driven menu of postconflict peacebuilding activities. Within UN funds and programs, for example, UNICEF emphasizes reestablishing primary education and working to reintegrate child soldiers back into society, FAO and IFAD emphasize the importance of food security, UNHCR focuses on refugee return, and UNIFEM stresses the opportunities to push for greater gender equity during moments of postconflict transition and reform”

Das hat den bizarren Effekt, dass das Finanzierungssystem zu mehr anstatt weniger Koordinationsproblemen führt:

A recent survey reveals that disarmament, demobilization, and reintegration (DDR) assistance is provided by six major international agencies, security sector reform and rule of law by the same number, repatriation and resettlement of refugees and internally displaced persons are shared among nine agencies, and six specialized agencies work on health sector issues. This suggests not only the existence of tremendous coordination problems, but also that agencies will attempt to expand when and where possible. (Barnett et al.)

Konkurrenz um knappe Mittel, Angewiesenheit auf Projektgelder, Druck zur Ausweitung der organisationseigenen Kompetenzen im Bereich Friedenskonsolidierung—damit lassen sich die negativen Auswirkungen des Finanzierungssystems für die UN-Friedenskonsolidierung knapp zusammenfassen. Ein Problem das nach wie vor existiert und das auch die 2005  gegründete Peacebuilding Commission bisher nicht gelöst hat.

Zwei Einschränkungen zum Schluss: Erstens: Es liegt natürlich nicht nur an der Finanzierung. Das Geld ist bloß einer der vielen Baustellen, an denen die UN-Friedenskonsolidierung und, bis zu einem gewissen Maß, das gesamte UN-System krankt. Diese sind aber Thema für einen eigenen Post (zwischenzeitlich könnt ihr hier weiterlesen). Zweitens: Mehr Koordination ist nicht immer unbedingt besser. Auch wenn diese Annahme implizit diesem Post (und der Debatte im Sicherheitsrat) zu Grunde liegt, so kann mehr Koordination durchaus auch zu Problemen führen, wie beispielsweise im Spannungsfeld humanitäre Hilfe und anderen internationalen Akteuren vor Ort deutlich wird.

Was meint ihr?

(Crossposted @ Junge UN Forschung)

ein Kommentar

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