Die Asiatische Woche – Eine Rückschau

Die Bretter, die die Welt bedeuten, waren in der letzten Woche aus asiatischem Holz geschnitzt. Gleich drei bedeutende Gipfel fanden im Zeitraum vom 10. bis zum 13. November in Ost- und Südostasien statt: Asia Pacific Economic Cooperation (APEC) in Peking, der ASEAN-Gipfel und der East Asian Summit (EAS) in Naypyidaw. Die letzte Woche machte bisher am deutlichsten, was die neue Rolle Asiens in der Welt bedeuten kann. Ein Überblick über die drei Gipfel, auf denen eine ganze Reihe an wichtigen Themen besprochen, aber auch und vor allem Positionen abgesteckt, Ansprüche formuliert und Hierarchien neu vermessen wurden.

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Tradition und Umbau. Golden eingepackter Turm an der Shwedagon Pagode in Yangon | Foto des Autors

Die Auferstehung Myanmars

Der wohl deutlichste Hinweis für den fulminanten Wandel, der den asiatischen Kontinent erfasst hat, ist die Retortenstadt Naypyidaw im Landesinnern von Myanmar. Wer vor noch wenigen Jahren prophezeit hätte, dass sich dort der East Asian Summit und die ASEAN mit Gästen aus Japan und den USA treffen, um internationale Probleme zu diskutieren, wäre ausgelacht worden. Aus einem Aussätzigen ist in kürzester Zeit ein Staat geworden, mit dem (und in dem) ernsthaft diskutiert wird.

Obama nutzt hierfür die Strategie Zuckerbrot und Peitsche. Noch kurz vor den Gipfeln wurde ein wichtiger Parlamentsabgeordneter in Myanmar mit Sanktionen belegt. Gleichzeitig reiste der amerikanische Präsident nun schon zum zweiten Mal in kurzer Zeit nach Myanmar und redete sowohl mir Aung San Suu Kyi als auch mit dem Präsidenten Thein Sein.

Innerhalb der ASEAN war es 1997 noch enorm strittig, Myanmar trotz der massiven Menschenrechtsverletzungen und undemokratischen Verfasstheit in den Bund aufzunehmen. Auf die Veränderungen der letzten drei Jahre lässt sich hier sicherlich aufbauen. Trotz der andauernden Widersprüche und einer bleibenden Unsicherheit bezüglich der Ernsthaftigkeit des Militärs, wirkliche Wahlen zuzulassen, kann man den Beteiligten internationalen Kräften, insbesondere der ASEAN, für diese Entwicklung gratulieren. Im Nachhinein wurden so diejenigen, die eine Isolation des Staates gefordert hatten, eines besseren belehrt.

Die neue machtbewusste Garde

Nicht nur Myanmar kommt jedoch auf dem internationalen Parkett in neuem Gewand daher. Mit Spannung wurde insbesondere das Auftreten der ‚Neuen‘ erwartet, Indonesiens Präsident Joko Widodo („Jokowi“), Indiens Modi und Chinas Präsident Xi Jinping.

Indiens Premierminister Modi profilierte sich im Vorfeld mit einer umfassenden Rede gegen jeden religiösen Fundamentalismus, eine Geste deren Relevanz für den indischen Staat, sowie den gesamten Subkontinent nicht unterschätzt werden darf. Sie bedeutet aber auch, dass sich die Machthaber im asiatischen Raum für globale Probleme wie den IS mitverantwortlich zeichnen. Er reiste auch nach Myanmar und nahm an den Gesprächen teil. Es ist noch nicht abzusehen, in welche Richtung Indiens neue Außenpolitik genau laufen wird, jedoch ist eine stärkere Fokussierung auf Modis Person zu erwarten. Er weiß sich zu inszenieren und schreckt vor kontroversen Themen nicht zurück. Zudem hat er einen starken Fokus auf wirtschaftlichen Fortschritt gelegt.

In diesem Punkt trifft er sich bekanntermaßen mit Chinas Xi Jinping, der sich als selbstbewusster Gastgeber des APEC-Treffens inszenierte. Hierbei verfolgte er eine deutliche Fortschrittsagenda, die jedoch pragmatisch und kooperativ wirkt und sich nach russischer und amerikanischer Seite gleichermaßen offen zeigt. Eine Einmischung in ‚innere‘ Angelegenheiten verbat er sich allerdings. Für die Demonstrierenden in Hongkong verheißt dies nichts Gutes.

Jokowi trat sympathisch und selbstsicher auf und verkündete, von den westlichen Medien weitgehend unbeachtet, seine neue Seedoktrin. Indonesien soll zur maritimen Macht werden. Dies mit der eigenen Geografie als Archipel zu erklären ist sicherlich eine starke Untertreibung. Wenn Jokowi die Marine ausbaut ist dies auch ein deutliches Balancing gegenüber China, welches sich anschickt, den Pazifik zu dominieren. Jokowi macht damit auch seinen Anspruch auf Führung in der ASEAN deutlich. Und auch für Deutschland hat diese Neuausrichtung Konsequenzen. Nach der kürzlichen Umsetzung des hoch umstrittenen Leopard-Deals zwischen Deutschland und Indonesien wurde das erste Treffen zwischen Merkel und Jokowi nun dazu genutzt, weitere Rüstungstransfers im maritimen Sektor anzustreben.

Obama schmiegt sich an

Als größten Policy Outcome kann der unerwartete Klima-Deal zwischen den USA und China genannt werden, der am Rande des APEC-Treffens verlautbart wurde. Hier hat, allen KritikerInnen zum Trotz, Obama einen bedeutenden Erfolg gelandet – und die Chinesen zeigen, dass mit ihnen verantwortungsvolle Politik zu machen ist. Allerdings sind sie nicht bereit, hierfür auf kurzfristiges Wachstum zu verzichten. Die Emissionseinsparungen für China sind ab 2030 geplant. Nichtsdestotrotz ist das ein wesentlicher Schritt in Richtung positiver Klimaverhandlungen in Paris im nächsten Jahr. Viele NGOs weisen seit Langem darauf hin, dass Klimaschutz nicht gegen, sondern nur mit China zu machen ist. Vielleicht haben wir letzte Woche den Beginn dessen gesehen.

Die Erfolge bei der Klima- und Wirtschaftspolitik waren Obama einiges wert. Es wurde über die Gipfel hinweg deutlich, dass er es ernst meint mit der Hinwendung nach Osten, insbesondere nach China. Das zeigte er plastisch durch das Tragen eines chinesischen Outfits und rhetorisch, durch das klassische Mittel der Wiederholung. Das ging nicht komplett auf, waren doch viele Chinesen empört, als sie Obama sagen hörten, die USA brauche China. um eine Weltmacht zu bleiben. Diese instrumentelle Haltung wurde gemeinhin als unhöflich interpretiert, ebenso wie sein Kaugummi. Der stärksten Opposition jedoch sah sich Obama im eigenen Land ausgesetzt (eine Übersicht über die teilweise lustige bis dämliche Kritik findet sich hier). Glenn Beck und Konsorten machten sich über Obamas Unterwürfigkeit her. Deren Unsachlichkeit dahingestellt ist deutlich, dass Obama verstanden hat wo sich die, vor allem wirtschaftliche, Zukunft abspielen wird. Er ist dazu bereit, sich darauf einzulassen und konkrete Schritte der Integration zu gehen, auch wenn es weh tut. Das wird etwa deutlich am Beispiel Vietnams. Obama proklamierte, seiner historischen Rolle bewusst, engere Bindungen zwischen Vietnam und den USA. Auch auf dem ASEAN Gipfel weilte er und machte deutlich, dass die USA vorhaben, im Pazifik ein Wörtchen mitzureden. Ganz konkret steht eine Freihandelszone auf dem Spiel. Während Obama dafür wirbt, die amerikanisch geprägte Transpacific Partnership auf China auszuweiten, wirbt China für das eigene Projekt, eine Free Trade Area of the Asia-Pacific (FTAAP).

In Asien wird Weltpolitik gemacht

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Werbung für die ASEAN am Flughafen Kuta | Foto des Autors

Gemeinhin lässt sich konstatieren, dass auf den drei Gipfeln Politik von großer Bedeutung gemacht wurde. Seien es so konkrete Ziele wie der illegale Handel mit Wildtieren, der beim EAS ebenso wie Ebola-Krise umfangreich debattiert wurde, oder die Klimapolitik in Peking. Bei der ASEAN, einer oftmals als „Talkshop“ oder EU-Mimikry diskreditierten Organisation ist ebenso ein neues Selbstbewusstsein deutlich (siehe Masterplan). Gleich mehrere Punkte in der, zugegebenermaßen äußerst schwammigen, post-2015 Vision betonen ein „outward-looking ASEAN“, dessen regionale Architektur weltpolitisch relevanter werden will. Zugleich wird aber auch das Sekretariat, also die Integration und Verzahnung, gestärkt. Auch beim ASEAN Gipfel wurde der Klimawandel thematisiert. Während sich die Staatengemeinschaft für eine klare Umkehr zu erneuerbaren Energien aussprach, betonte sie in ihrem Communiqué auch, dass sie hierfür Unterstützung von den industrialisierten Staaten erwarte. Zudem wurde gemeinsam mit Japan eine Strategie zur Terrorismusbekämpfung und gegen transnationale Kriminalität ausgearbeitet. Auch China ging auf die ASEAN zu und bot erneut freundschaftliche Beziehungen an, um die Querelen um das südchinesische Meer zu beenden. Dass es sich hier um nationale Interessen handelt, kann die Freundschaftsrhetorik kaum verbergen. Jedoch können billige Kredite die Stimmung aufhellen.

Es sind diese variablen Gefüge, wechselnden Fraktionen und Kooperationsknoten, die wir in Zukunft themenspezifisch beobachten werden können. In einer annähernd ideologiebefreiten Mega-Region von Staaten, die alle Fortschritt, verstanden als materielle Teilhabe, anstreben, stehen die Antriebe auf „volle Kraft voraus“. Die Weltpolitik der Zukunft wird zunehmend von ihnen gemacht werden. Die vergangene Woche war darauf ein Vorgeschmack, gerade weil unter den Teilnehmern nicht mehr diskutiert wurde, welche Relevanz die asiatischen Regierungen einnehmen können, sondern weil sie diese als Selbstverständlichkeit betrachten und aufbauend darauf an den großen Rädern drehen.

Felix Anderl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Internationale Beziehungen und Theorien globaler Ordnungen in Frankfurt am Main. Vorher studierte er Politikwissenschaft und Geschichte (B.A.) in Freiburg und „International Relations: Global Governance and Social Theory“ (M.A.) an der Jacobs University und der Universität Bremen. Er arbeitet im DFG-Projekt „Gesellschaftlicher Protest in der Globalisierungskritischen Bewegung zwischen Opposition und Dissidenz“. In seinem Promotionsprojekt analysiert er, wie die Weltbank und die WTO auf Widerstand reagieren.